Morgenkommentar am 24. April 2017

Wenn es eines Beweises bedurft hätte, wie gering die Macht der Putinschen Hacker und Trolle ist – er ist erbracht. Noch am Tag der Wahl warnte Politico, der am Ende führende Kandidat Emmanuel Macron sei “das Ziel der großen Masse der Moskauer Cyber- und Propagandattacken” gewesen. Am Abend erwies sich die beliebteste Verschwörungstheorie der Transatlantiker als das tote Gleis, das sie ist.

Dass der jetzt zum Favoriten aufgestiegene Macron für Überraschungen gut sein wird, ahnt man im Kreml besser als in den europäischen Hautstädten. Dort atmen die Anhänger des “Weiter so” an diesem Morgen entspannt auf – Gott sei Dank nicht noch ein Schock nach Brexit und Trump. Dass sie sich da nicht täuschen. Doch das steht hier nicht zur Debatte.

Im Verhältnis zu Russland könnte der vermeintlich moskaukritischste unter den führenden Kandidaten durchaus Gutes bewirken. Unter einer Präsidentin Le Pen hätten weiterhin weltanschauliche Momente die Beziehungen dominiert – wie seit 25 Jahren und mehr. Nur eben nicht negativ aufgeladen, sondern neutral bis positiv. Was dem Kontinent im Verhältnis zum großen eurasischen Nachbarn hingegen nottut ist weniger Weltanschauung und mehr Anerkenntnis des Andersseins. Distanz und Nähe zugleich. Und eine kluge Politik der kleinen Schritte.

Die Epoche jedenfalls bietet dem 39-Jährigen Gelegenheit, Europa gleichzeitig aus den Klauen der verkalkten kalten Krieger, der Euro-Ideologie der Ära Kohl/Mitterand und der neokonservativen Heilsprediger zu befreien. Mitstreiter, vor allem in Deutschland, werden noch gesucht. Da sieht’s dünn aus. Und dann steht auch noch ein Wahlgang an.