Die Dungan Moschee in Karakol
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Farben, Drachen, Glaube – Die Dungan Moschee von Karakol

Versteckt im Osten Kirgistans, nahe dem türkisblauen Issykköl-See, steht ein Bauwerk, das aussieht wie ein buddhistischer Tempel – und doch eine Moschee ist: die Dungan Moschee in Karakol. Ganz ohne Nägel errichtet, in leuchtenden Farben bemalt und reich verziert mit Drachen, Phönixen und Fabelwesen, vereint sie chinesische Handwerkskunst mit islamischer Spiritualität. Wer verstehen will, wie Flucht, Glaube und Architektur zu einem einzigartigen kulturellen Erbe verschmelzen, sollte weiterlesen.

Wo findet man die Dungan Moschee?

Wer sich aufmacht, den Osten Kirgistans zu erkunden, stößt unweigerlich auf ein faszinierendes Naturwunder: den Issykköl-See. Eingebettet in die Berglandschaft des Tianshan, liegt dieser zweitgrößte Gebirgssee der Erde auf 1.607 Metern Höhe. Mit einer Länge von 182 Kilometern und einer Tiefe von bis zu 668 Metern trägt er seinen Beinamen „Perle des Tianshan“ vollkommen zu Recht.

Nur wenige Kilometer südöstlich des Sees liegt Karakol – eine Stadt mit rund 70.000 Einwohnern, Verwaltungssitz des Issykköl-Gebietes und Ausgangspunkt für so manche Überraschung. Denn hier, im scheinbar ruhigen Stadtzentrum, erhebt sich ein Bauwerk, das in ganz Zentralasien seinesgleichen sucht: die farbenprächtige, vollkommen aus Holz errichtete Dungan-Moschee.

Die Dungan Moschee in Karakol zeigt einzigartige chinesische Handwerksarbeiten
Einzigartige Holz- und Schnitzarbeiten chinesischer Handwerker an der Dungan Moschee in Karakol. Foto von Christian Grosse

Chinesisches Handwerk und islamische Spiritualität

Nahe dem Stadtzentrum gelegen, wirkt die Moschee auf den ersten Blick wie ein farbenfroher chinesischer Tempel. Doch bei näherem Hinsehen entpuppt sich das einstöckige Holzgebäude als kunstvoll gestalteter Gebetsort der Dungan-Gemeinschaft.

Erbaut wurde sie 1910 vom chinesischen Architekten Zhou-Si und einem Team von Handwerkern aus Peking. Drei Jahre lang bereiteten sich die Zimmerleute, Dachdecker und Holzschnitzer auf den Bau vor. Sie orientierten sich an der Architektur der Qin-Dynastie und errichteten das Gebäude in traditioneller chinesischer Zimmermannskunst – ganz ohne Nägel, nur durch passgenaue Schnitte und Nuten.

Gebetsraunm der Dungan Moschee
Im Inneren der Dungan Moschee in Karakol. Foto von Christian Grosse

Natürliche Materialien und symbolische Farben

Verwendet wurden ausschließlich Naturmaterialien: Karagatsch (eine Ulmenart), heimische Pappel, Tian-Shan-Fichte sowie Nussbaumholz zur Endbearbeitung. Die architektonische Gestaltung folgt islamischer Tradition: rechteckiger Grundriss, Haupthalle mit Platz für etwa 400 Gläubige, Fenster an Nord- und Südseite, Eingang im Osten. Der Westen, die Gebetsrichtung nach Mekka, bleibt fensterlos.

Besonders auffällig sind die Farben: Rot für Freude und Schutz vor Geistern, Grün als Symbol für Islam, Wohlstand und Glück, und Gelb als kaiserliche Farbe für Reichtum und Größe. Auch die Bildmotive folgen der chinesischen Mythologie: Drachen, Phönixe und Fabelwesen sollen das Gotteshaus schützen.

Die Dunganen – Geschichte und Gegenwart einer vergessenen Minderheit

Herkunft: Die Dunganen sind Nachfahren chinesischer Hui-Muslime, die im 19. Jahrhundert vor religiöser Verfolgung aus China nach Zentralasien flohen – vor allem nach Kirgistan, Kasachstan und Usbekistan.
Sprache: Sie sprechen einen chinesischen Dialekt, früher mit arabischer, heute meist mit kyrillischer Schrift.
Religion: Sunnitische Muslime mit Einflüssen chinesischer Kultur und Sufi-Traditionen.
Kultur: Ihre einzigartige Kultur vereint chinesische Architektur, islamische Spiritualität und zentralasiatische Lebensweise. Die Dungan-Küche ist heute weit verbreitet.
Heute: Rund 110.000 Dunganen leben in Zentralasien. Ihre Identität ist durch Migration und Assimilation gefährdet, wird aber in Orten wie Karakol weiterhin gepflegt.
Bekannte Persönlichkeiten: Z. B. Iminzhan Kasymov, kirgisischer Politiker dunganischer Herkunft.


Restaurierung und heutige Bedeutung

Lange Zeit war die Dungan-Moschee dem Verfall ausgesetzt. Erst 2016 wurde sie unter großer Anstrengung restauriert – mit Unterstützung der kirgisischen Regierung und der Türkischen Agentur für Zusammenarbeit und Koordinierung (TİKA). An der feierlichen Einweihung nahmen Vertreter von Regierung, religiösen Institutionen und der Bevölkerung teil.

Heute ist die Moschee nicht nur ein aktiver Gebetsort, sondern auch ein einzigartiges architektonisches Zeugnis der Dungan-Kultur in Kirgistan – und ein Symbol für religiöse Toleranz, Handwerkskunst und kulturelle Vielfalt.

Photos by Christian Grosse

Dipl. Chem. Christian Grosse ist Gründer und President der Organisation Open International Dialogue, einer internationale Plattform zur Förderung des direkten Dialogs zwischen den Disziplinen Politik, Wirtschaft, Kunst, Kultur, Sport, Bildung, Wissenschaft und Zivilgesellschaft. Ebenso ist er Landesvorsitzender des Bundesverbandes Liberaler Mittelstand Berlin e.V...

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