Die Russen und ihr Nationalstolz

Die spinnen, die Russen: Sie finden immer einen Grund, stolz auf ihr Land zu sein.

Eine Kolumne von Daria Boll-Palievskaya. Heute: Die Russen und ihr Nationalstolz.

Die spinnen, die Russen…

Sie essen Eis bei minus 30 Grad, trinken Wodka aus der Flasche und schlagen sich gegenseitig mit Birkenzweigen in der Sauna. Das weiß ja jedes Kind. Und sie haben ihren Nationalstolz. Aber worauf sind sie eigentlich stolz?

Wie eine Dame in einem der unzähligen Internetforen schrieb, bringe sie Russland „stets mit Negativem in Verbindung“ („Armut, Kriminalität, Drogen, Alkohol en masse, Prostitution, niveaulose Neu-Reiche, Korruption“). „Ja, ich weiß, die russische Literatur“, fügte sie ironisch hinzu. Tatsächlich, wie kann man auf so ein Land überhaupt stolz sein?

Aber die Russen tun das. Und das haben sie schon immer getan. Auch als sie sich für sich und Russland geschämt haben, z.B. in den 90ern. Sie schämten sich für ihre Armut, für ihren Präsidenten Jelzin, der in betrunkenem Zustand auf der Bühne tanzte und dafür, dass sie auf der Weltbühne nichts mehr zu sagen hatten. Genau das macht sie so unbegreiflich.

Ein Russe kann in einer kalten Wohnung sitzen, weil alle kommunalen Dienste schon wieder versagt haben und seit Monaten kein Gehalt mehr bekommen, weil der Firmeninhaber in seine eigene Tasche wirtschaftet. Und worüber regt er sich auf? Über die Flüchtlingskrise in Europa. Oder darüber, dass Präsident Obama Russland als „Lokalmacht“ bezeichnet hatte.

Außenpolitik ist wichtiger als Rubel und Grippe

Laut der aktuellen Umfrage der Stiftung für Öffentliche Meinung (FOM) interessieren sich über 60 Prozent der Russen für die Außenpolitik ihres Landes. Und 61 Prozent finden, dass Russland hier große Erfolge vorzuweisen hat. Die Umfrage eines anderen großen Meinungsforschungsinstituts, des Lewada-Zentrums, hat ergeben, dass für 40 Prozent der Russen die Ereignisse in Syrien wichtiger sind als die Abwertung des Rubel (29 Prozent) oder die Grippe Epidemie in Russland (28 Prozent).

Deswegen ist die Tatsache, dass die Halbinsel Krim zur Russischen Föderation jetzt gehört kein abstrakter Begriff, sondern etwas, was beinahe jeden Russen persönlich betroffen macht. Auf russischen Straßen fahren Autos mit den Aufklebern „Krim ist unser!“. T-Shirts mit der gleichen Aufschrift gehen wie heiße Semmel weg. Zu den Topsellern gehören auch T-Shirts mit Putin Konterfei und dem Satz „Danke für die Krim“ oder Abzeichen „I love Krim“. Über 21.000 Videos zum Thema „Krim gehört uns“ gibt es auf dem russischen YouTube.

Obwohl die Euphorie über die Krim längst vorbei ist, sagen 71 Prozent der Befragten aus, dass sie stolz auf ihr Land sind. Denn man findet immer einen Grund dafür. So sind 39 Prozent der Russen auf die Bodenschätze stolz und 35 Prozent auf die russische Armee. Und einigen reicht es einfach, ein Russe zu sein (38 Prozent).

Russlands wahrer Stolz

Am 12. April hat das ganze Land noch einen Grund für den Nationalstolz gefeiert – den 55. Jahrestag der bemannten Raumfahrt. An diesem Tag im Jahre 1961 flog Jurij Gagarin als erster Mensch ins All. Während in Deutschland dieses Datum kaum ein Notiz wert war, war dieser Gedenktag für 53 Prozent der Russen eins der wichtigsten Jubiläen im Jahre 2016 (Umfrage des Lewada-Zentrums). Denn der nur 108 Minuten dauernde Flug hat den Sowjets die Vorherschafft im Kosmos gesichert.

Ein populärer russischer Radiosender hat es zum Anlass genommen, seine Hörer zu fragen, wobei Russland ihrer Meinung heute ganz vorne ist. Die meisten waren sich einig: den russischen Frauen kann niemand das Wasser reichen. Sie sind diejenigen, worauf man immer stolz sein kann. Doch auf diese Erkenntnis hätte man nicht bis zum 12. April 2016 warten müssen.

Das war in Russland schon immer so.


Weil dieser Beitrag für sehr kontroverse Reaktionen gesorgt hat, möchten wir hier klarstellen: Er ist nicht als Angriff auf Russland oder die Russen zu verstehen, sondern spielt mit den westlichen Klischees über Russland. Diese werden hier überspitzt dargestellt, um zu zeigen, wie wenig man im Westen über Russland weiß. Man kann sehr wohl stolz auf Russland sein. 

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7 Kommentare

  1. Jedes Land muss stolz auf sich sein dürfen. Nur wenn man sich selbst liebt, kann man auch andere lieben. Wenn eine Nation nicht stolz auf sich sein kann oder darf, dann sind das in der Regel Sympome für einen falschen Minderwertigkeitskomplex oder dafür, dass das Land nicht voll souverän ist. Ich schreibe das mit Hinblick auf das Deutschland, welches nach dem Zweiten Weltkrieg besetzt wurde und in dem man bis heute darüber diskutiert, ob man denn überhaupt stolz auf Deutschland sein könnte. Andere Nationen – darunter auch Russland – gehen mit ihrem Nationalstolz unbefangener um.

  2. Worauf dürfen denn die anderen Nationen stolz sein?
    Die Deutschen? Wohl nicht auf ihre Geschichte. Genauso wie die Amis… Mit dem Genozid an den Indianern. Beide Länder sind aber für ihr Patriotismus bekannt. Und dürfen es anscheinend auch, im Gegensatz zu den Russen…
    Wer der Autorin das Recht gegeben hat, über sowas zu urteilen, bleibt also fraglich..:

    1. Liebe Sophia,
      was Sie als Angriff auf Russland und Russen verstanden haben, ist in Wirklichkeit ein Spiel mit den ewigen Klischees, die im Westen vorherschen. Es geht mir eben darum zu zeigen, dass es Alles Quatsch ist. Ich beginne meine Kolumne immer mit diesem Satz, um zu zeigen, wie wenig man in Wirklichkeit über Russland weiß und wie simpel die Vorstellungen über dieses Land sind, dass viel mehr zu bieten hat und natürlich auf vieles stolz sein kann.

    2. Liebe Sophia. Worauf sollen die Deutschen denn stolz sein? Reisen Sie doch einfach mal nach Russland, Serbien oder irgendein anderes Land und fragen Sie dort die ganz normalen Menschen, was sie von Deutschland denken oder ob etwas irgendetwas gibt, worauf Deutschland stolz sein könnte. Oder fragen Sie die Menschen dort einfach mal, ob sie lieber in Russland, in Serbien, in den USA oder in Deutschland leben wollten.

    3. Hey. Sophia, das ist der erste Artikel über die Russische Seele seit 50 Jahren welchen ich lese. Dank an die Redaktion, ohne Hass auf die Russen. Wir werden schon in unseren Medien darauf eingestellt. “ Der Russe steht vor unserer Tür“ Nun haben wir den Umkehrschluss, die Think Tanks unsere Regierung leiden an totaler Unfähigkeit. Die Russen können Stolz auf ihre Regierung ( Putin ) sein. MfG Werner Kämtner

  3. Aber… absolut uniprofessionell. Was bedeutet ein Russe , nicht der einige… Sie essen Eis …. wo auf der Straße? Wo essen Sie Eis bei – 30 🙂 ? Ab wann sind Sie „Boll“ geworden ?)) Wer hat Sie Recht gegeben über ganze Nation solche Quatsch beschreiben? … spinnen Sie ((

    1. Lieber Herr Startsev,
      Sie können die Kolumne, die als Format ja naturgemäß polarisiert, gerne in der Sache kritisieren, aber bitte halten Sie sich an die Regeln eines freundlichen Miteinanders und greifen Sie unsere Autorin nicht persönlich an.

      Vielen Dank!
      Die Redaktion

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