Deutsche Wärme für den russischen Winter

Ost-Ausschuss-Kolumne: Deutsche Wärme für den russischen Winter

Wenn der Begriff „ein Mann wie ein Baum“ sich je materialisiert hat, dann in diesem Mann: Pavel Iwanowitsch Tschelpan. Er steht einem eher unscheinbaren Bezirk in der Region Moskau vor: Stupino.

Eigentlich qualifiziert das Städtchen mit seinen 120.000 Einwohnern wenig zum Hotspot für ausländische Investoren. Und trotzdem gibt es hier zwei Industrieparks und eine Sonderwirtschaftszone. Das hängt in erster Linie damit zusammen, dass Tschelpan und seine Mitarbeiter früh erkannt haben, dass man Bedingungen schaffen muss, die für Firmen wirklich interessant sind und vollmundigen Worten auch Taten folgen lassen muss. Deshalb packt er an, löst Probleme, ist für die Unternehmen greifbar, und er wird nicht müde, von der guten Zusammenarbeit mit den Deutschen zu reden.

Von links: Vizegouverneur Wadim Khomov, Bürgermeister Stupino Pawel Tschelpan, CEO Arbonia Alexander von Witzleben, Leonid Ewlentijew, Kermi Russland

Internationale Investoren siedeln sich in Stupino an

Die danken es ihm, indem sie in seiner Stadt investieren. Knauf und Caparol haben sich hier angesiedelt, aber auch zahlreiche internationale Unternehmen. Beim niederbayrischen Heizkörperhersteller Kermi fiel die Wahl auf Stupino, nachdem man sich mehr als 40 andere Standorte angeschaut hatte. Die Pläne der Firma sind ehrgeizig: 2018 soll die Produktion starten, vergangenen Donnerstag wurde der Grundstein für das Werk gelegt.

Alexander Reymar Karl-Wilhelm von Witzleben, der Verwaltungsratspräsident und Vorsitzender der Geschäftsleitung der Arbonia AG, entwirft jedoch ein noch viel weitreichenderes Szenario: „Wir haben hier genug Platz, um unsere Produktion zu verdoppeln oder zu verdreifachen und wollen das in ein paar Jahren auch tun.“ In der Tat ist Platz im Industriepark reichlich vorhanden, vor allem aber alle notwendigen Medien, Anbindung an die Eisenbahn und die Autobahn. Aber noch wichtiger so scheint es, ist die Unterstützung durch die Stadt und die Region Moskau.

Heizkörper von Kermi
Heizkörper des niederbayerischen Herstellers Kermi.

Region Moskau holt auf

Zur Grundsteinlegung ist der stellvertretene Gouverneur Wadim Khomov erschienen. Er sagt, was man sagt, wenn ein ausländischer Investor für Hochtechnologie, Arbeitsplätze und Perspektive sorgt. Was er gar nicht sagen muss ist, dass sich die Region Moskau Stück für Stück nach vorn gearbeitet hat im Ranking der Föderationssubjekte.

Die Straße nach Stupino ist gesäumt von Servicezentren, Lagerhäusern, Produktionsstätten russischer und internationaler Firmen. Deutsche Unternehmen antworten auf die Frage, wo sie in Zukunft am ehesten investieren und lokalisieren wollen, mit Moskau, St. Petersburg und der Region Moskau.

30 Prozent Marktanteil sind möglich

Kermi gehört jetzt auch dazu und seit 2001 zur Schweizer Arbonia-Gruppe. Das Unternehmen war auch bisher schon recht erfolgreich in Russland unterwegs. Das neue Werk für rund 20 Millionen Euro soll diesen Erfolg verstetigen. Bis zu 30 Prozent Marktanteil sollen laut von Witzleben möglich sein, und die will man perspektivisch auch erreichen und auf diesem Weg die Verarbeitungstiefe in Russland kontinuierlich steigern. Kermi wählt dafür die Qualifikation russischer mittelständischer Zulieferer, um sie später in die Supply Chain einzubinden.

Mittelständler unter Druck

Grund genug, sich diesem Thema noch einmal zuzuwenden, denn ein Wirtschaftsmodell mit etwa zwei Dritteln staatlichem Anteil kommt irgendwann an die Grenzen des real Möglichen. Letztlich steht jedes Unternehmen, das in Russland lokalisiert vor der Herausforderung, qualifiziertes Personal und Lieferanten zu finden, und sei es nur, um den Lokalisierungsanforderungen genügen zu können.

In den vergangenen 25 Jahren haben sich allen Widrigkeiten zum Trotz sehr gute mittelständische Unternehmen entwickelt, aber es mangelt in der Breite. Und die Dominanz der staatlichen Großkonzerne entfaltet eine solche Marktmacht, dass der Druck auf Mittelständler ständig wächst.

„Lasst die Firmen in Ruhe“

Aber noch ein zweiter Fakt spielt eine nicht unerhebliche Rolle. Im Zuge der Krise und der damit einhergehenden Auszehrung des Staatssäckels haben sich die Kontrollen durch unterschiedlichste staatliche Stellen, allen voran die Steuerbehörden, deutlich verstärkt. Früher haben die Unternehmen zwar die obligatorischen drei Instanzen durchlaufen müssen, um ein Urteil zu bekommen, aber in aller Regel fiel es zu ihren Gunsten aus.

Das hat sich geändert. Davon sind in erster Linie russische mittelständische Unternehmen und ausländische Firmen betroffen. Ein deutscher Steuerberater beschreibt es mit den Worten: „Wir erwarten gar keine großartige Förderung durch die Behörden, es wäre schon viel gewonnen, wenn man die Firmen in Ruhe arbeiten ließe.“

Qualität, Hightech, Effizienz und Nachhaltigkeit

Wenden wir uns wieder dem Eigentlichen zu, der Entscheidung, in Russland zu investieren. Für Kermi gilt, was im Prinzip für alle deutschen Produktionsunternehmen gilt. Sie punkten mit Qualität, Hightech, Effizienz und Nachhaltigkeit. Da sich dieses Versprechen regelmäßig erfüllt, stehen trotz wachsender Konkurrenz Produkte aus Deutschland immer noch ganz oben in der Gunst sowohl der Geschäfts- als auch der Privatkunden.

Und wenn man sich die Heizkörper neuester Bauart so anschaut, erinnern die eher an Raumschiff Enterprise als an schnöde Wärmespender – so sieht Hochtechnologie „Made in Germany“ zum Anfassen aus.

20 Prozent Rendite

In Stupino spürt man wenig von den politischen und wirtschaftlichen Irrungen und Wirrungen unserer Zeit. Die Szenerie atmet vielmehr eine Art entspannte Aufbruchstimmung und den Geist der Verständigung. Es nimmt deshalb nicht Wunder, dass der „Mann wie ein Baum“ am Ende seiner Rede den Deutschen 20 Prozent Rendite verspricht und sogar darauf wettet.

Wenn er verlieren sollte, gibt es die eine oder andere Flasche Wodka. Allerdings lässt die Art wie er es sagt, wenig Zweifel daran, dass er die Wette nicht verlieren wird. Die Deutschen werden es gerne gehört haben, und realistisch scheint es auch noch zu sein.


Jens Böhlmann, Leiter Kontaktstelle Mittelstand für Russland beim Ost-Ausschuss der Deutschen Wirtschaft. Foto: zVg
Jens Böhlmann, Leiter Kontaktstelle Mittelstand
im Ost-Ausschuss der Deutschen Wirtschaft

Die Kontaktstelle Mittelstand ist eine Initiative zur Förderung kleinerer und mittlerer Unternehmen im Ost-Ausschuss der Deutschen Wirtschaft. Sie nahm im Mai 2013 ihre Arbeit auf. Ziel der Kontaktstelle ist die Unterstützung deutscher mittelständischer Unternehmen, die einen Markteintritt oder den Ausbau ihrer Geschäftsaktivitäten in den durch den Ost-Ausschuss vertretenen Ländern, insbesondere jedoch in Russland planen.

Anfragen richten Sie bitte an: j.boehlmann@bdi.eu