Gesetz für Moskauer Abrissprogramm gebilligt
Die Staatsduma hat ein Gesetz über den umstrittenen Abriss fünfgeschossiger Plattenbauten in Moskau beschlossen. Darüber berichtet Wedomosti.
399 Abgeordnete der Staatsduma stimmten am gestrigen Mittwoch in dritter und letzter Lesung für den großangelegten Abriss von Wohnhäusern aus der Chruschtschow-Ära. Nur 2 Politiker stimmten dagegen. Über eine Million Moskauer sind von der Massenumsiedlung betroffen. Nun fehlen bloß die Zustimmung des Föderationsrates sowie die Unterschrift des Präsidenten.
Tausendfach sollen die größtenteils baufälligen „Chruschtschowkas“ weichen. Die Kosten für das Renovierungsprogramm belaufen sich auf schätzungsweise 55 Milliarden Euro. Zuvor erntete der von Putin unterstützte Vorstoß des Bürgermeisters Sergej Sobjanin teilweise heftige Kritik unter den Hausbewohnern. Mitte Mai protestierten über 20.000 Moskauer gegen das Abrissprogramm.
Auf den Protest hat die Stadtregierung mit zahlreichen Änderungen reagiert. Der Gesetzentwurf sieht u. a. das Recht auf Eigentum sowie Entschädigungen vor. Auch unter Denkmalschutz stehende Gebäude bleiben größtenteils verschont. Der Abriss betrifft nun „Industriehäuser der ersten Generation“ oder ähnlich gestaltete Plattenbauten mit maximal neun Stockwerken.

Online-Abstimmung per App
Die Bewohner der jeweiligen Häuser stimmen mithilfe der App „Aktiver Bürger“ für oder gegen den Abriss. Eine Entscheidung dagegen erfordert eine Zweidrittel-Mehrheit. Bürgermeister Sobjanin hat die Abstimmungsfrist um einen Monat auf den 15. Juli 2017 verlängert. Bisher haben etwa 10 Prozent von 4.546 Häusern gegen den Abriss gestimmt, erklärte das Rathaus.
Die Baujahre der häufig als „Billig-Mietskaserne“ bezeichneten Gebäude rangieren von 1957 bis 1968. Die Chruschtschowkas wurden im Zuge der Urbanisierung und der verheerenden Wohnungsnot nach dem Zweiten Weltkrieg gebaut. Bereits seit Jahrzehnten steht in Moskau ein möglicher Abriss zur Debatte. Erst Sobjanin will das Mega-Projekt in die Realität umsetzen.

Entschädigung für den Abriss
Als Entschädigung erhalten die betroffenen Hausbewohner entweder Geld oder eine äquivalente Wohnung im selben Bezirk. Eine Ausnahme bilden die in der Oblast Moskau befindliche Siedlung Selenograd und der Verwaltungsbezirk Nowomoskowski. Personen von dort müssen damit rechnen, in eine andere Stadt innerhalb der Region Moskau umgesiedelt zu werden.
Trotz der versprochenen Kompensationen muss die Haupstadt weiterhin mit Gegenwind rechnen. Auch gestern kam es vor der Staatsduma zu Demonstrationen gegen das Abrissprogramm. Daran beteiligt waren u. a. Mitglieder der sozialliberalen Partei Jabloko. Der ehemalige Parteivorsitzende Sergej Mitrochin und 10 weitere Personen wurden festgenommen.