Chodorkowski: „Im Kreml sitzen fantastische Idioten“
Im Interview mit Spiegel Online spricht der ehemals reichste Mann Russlands, Michail Chodorkowski, über aktuelle politische Themen. Dabei ging es auch um die Bundestagswahl in Deutschland. Wir haben für Sie die wichtigsten Aussagen zusammengefasst.
Während die neuen US-Sanktionen gegen Russland in Europa auf Unverständnis treffen, sind sie für Chodorkowski politisch unausweichlich. Dazu erklärte der im Londoner Exil lebende Geschäftsmann:
„Wie dumm kann man sein, sich in die amerikanischen Wahlen einzumischen? Im 21. Jahrhundert könnten technologische Sanktionen unsere Nation zu einem ganzen Jahrzehnt Stagnation verdammen. Fantastische Idioten!“
Auch Deutschland müsse im Zuge der Bundestagswahl im September 2017 mit Hacker- oder Fake-News-Attacken rechnen, erklärte Chodorkowski. Allerdings könnte die scharfe Reaktion der USA die „Bereitschaft in Putins Umfeld“ zu ähnlichen Manipulationen senken.
Privatisierung der Staatskonzerne
Neben politischen Ereignissen galt das Interview insbesondere dem Thema Wirtschaft – und den Auswirkungen historischer Entwicklungen auf die heutige Situation. Nach dem Zerfall der Sowjetunion habe die politische Riege um Boris Jelzin zwei Fehler begangen, sagte Chodorkowski. Diese hingen mit der schnellen Privatisierung von großen Staatskonzernen zusammen.
Zum einen habe man Industriekonglomerate aufgespalten und einzeln verkauft, obwohl viele Konzerne alleine nicht überlebensfähig gewesen seien. Dies habe zu massiven Verlusten des Staates geführt. Zum anderen habe man den Bürgern Anteilscheine an Betrieben in die Hände gegeben, obwohl jene den Wert dieser Papiere zum damaligen Zeitpunkt nicht verstanden haben.
Heute fordern Wirtschaftsexperten wie Putins Ex-Finanzminister Alexej Kudrin eine zweite Privatisierungswelle. Dazu sagte Chodorkowski:
„Wenn ich heute den Verkauf von Staatskonzernen zu organisieren hätte, würde ich die Anteile an Pensionsfonds übergeben, die sie wiederum den individuellen Rentenkonten der Bürger gutschreiben. (…) Ich bin überzeugt: Wäre so ein System über zehn Jahre landesweit in Funktion, würde sich das Verhältnis der Bevölkerung zu Privatbesitz deutlich verändern.“
Ära Putin
Die Wirtschaftspolitik von Wladimir Putin spielte eine zentrale Rolle im Gespräch, das von Benjamin Bidder geführt wurde. Chodorkowski sagte, dass der russische Präsident eine liberale Haushaltspolitik und gleichzeitig eine antiliberale Ausgestaltung der Wirtschaft verfolge.
Zum einen gebe es die Prinzipien „niedrige Inflation“ und „geringes Haushaltsdefizit“, die auch bei „liberalen Ökonomen im Westen“ für Zustimmung sorgen. Zum anderen wolle Putin durch „Einfluss von Staatskonzernen“ die „Steuerbarkeit der Wirtschaft“ erhöhen. Dadurch blieben jedoch „Effizienz und Innovationen auf der Strecke“.