CEO Hochland: „In Russland gibt es ein strukturelles Milchdefizit“

Interview mit Peter Stahl, Vorstandsvorsitzender der Hochland SE, über das Russlandgeschäft des Käseherstellers

Im Interview spricht Peter Stahl, Vorstandsvorsitzender des deutschen Nahrungsmittelherstellers Hochland SE, über das aktuelle Geschäft der russischen Tochterfirma „Hochland Russland OOO“. In den vergangenen Jahren hat das Unternehmen rund 30 Millionen Euro in sein russisches Werk in Prochorowka investiert. In den nächsten Jahren sollen weitere 15 bis 30 Millionen Euro folgen.

Zur PersonInformationen zum Unternehmen
Peter Stahl kam 1994 als Assistent zu Hochland. 1996 wurde er Leiter des Bereichs Finanzen und Controlling und im Jahr 2000 in den Vorstand der Hochland AG (heute Hochland SE) berufen. Bis 2004 führte er im Vorstand das kaufmännische Ressort. Seit 2005 verantwortet er das Vorstandsressort Produktion und Technik sowie die Produktentwicklung und den Einkauf. Seit dem 1. Januar 2013 ist er Vorstandsvorsitzender der Hochland SE.
Die Hochland SE ist ein Familienunternehmen mit Sitz in Heimenkirch im Allgäu. Das Unternehmen wurde 1927 gegründet und ist auf die Herstellung, Veredelung und den Vertrieb von Käse spezialisiert.

Heute beschäftigt Hochland mehr als 4.400 Mitarbeiter an 12 Produktionsstätten und erwirtschaftete 2016 einen Umsatz von rund 1,2 Mrd. Euro. Somit ist Hochland einer der größten Hersteller und Veredler von Käse in Europa.

Auf nationaler und internationaler Ebene ist das Unternehmen in allen bedeutenden Käsesegmenten vertreten. Käse von Hochland wird in etwa 30 Ländern vertrieben. Außerdem beliefert mit speziell entwickelten Produktkonzepten die Lebensmittelindustrie und die Gastronomie.

In Russland produziert Hochland seit dem Jahr 2000 Schmelzkäse. Im November 2003 nahm Hochland in Raos bei Moskau ein eigenes, neu gebautes Käse-Werk in Betrieb. Im Juli 2011 übernahm Hochland ein Werk in Prochorowka, nahe der ukrainischen Grenze. Dort wird seit Mitte 2012 Frischkäse hergetsellt.


Wie läuft Hochlands aktuelles Geschäft in Russland? 

Während der Gesamtmarkt etwas an Menge verliert, wächst Hochland in Russland aktuell, vor allem mit Frischkäse.

Wie wichtig ist das Russlandgeschäft für Hochland? Sind weitere Investitionen oder Schritte in der Lokalisierung geplant?

Russland ist für Hochland ein strategischer Markt. Wir haben frühzeitig das Potential gesehen und sind seit Mitte der 1990er-Jahre in Russland aktiv. Anfangs wurde der russische Markt von Deutschland aus beliefert.

Heute ist Hochland Marktführer im Käsemarkt und wir sehen weiterhin Potential für eine positive Entwicklung. Wir investieren daher weiter in unsere Werke und damit in künftiges Wachstum.

Welche Chancen und Potentiale sehen Sie für Hochland auf dem russischen Markt?

Wir haben frühzeitig auf die Lokalisierung unserer Produktion gesetzt und haben heute zwei Werke in Russland: Unser Schmelzkäsewerk in der Nähe von Moskau besteht seit 2003, das Frischkäsewerk in Prochorowka kam 2011 hinzu und wurde 2012 in Betrieb genommen. Diese unternehmerische Entscheidung hat uns die Chance gegeben, trotz der derzeitigen Importbeschränkungen den Markt ununterbrochen mit unseren Produkten zu beliefern.

Wir wollen weiter wachsen und unsere Position als Marktführer im Käse weiter ausbauen. Potential sehen wir nicht nur bei Schmelzkäse, sondern zum Beispiel mit Frischkäse und Weißkäse.

Wie entwickelt sich das Werk in Prochorowka? In welcher Form sind hier weitere Investitionen geplant?

Wir haben das ehemalige Joghurtwerk im Jahr 2011 übernommen, zu einem Frischkäsewerk umgebaut und 2012 in Betrieb genommen. Die Absätze übertrafen alle Erwartungen. Inzwischen haben wir den Standort mehrfach erweitert. Neben der guten Qualität unserer Produkte, die bei den russischen Verbrauchern sehr gut ankommt, liegt ein Grund auch in den Importbeschränkungen: Mit unseren eigenen Werken in Russland – neben Prochorowka unser Schmelzkäsewerk bei Moskau – konnten wir unseren Kunden weiterhin die gewohnten Produkte liefern. Wir mussten allerdings für einige Zutaten in kürzester Zeit neue Lieferanten finden.

Käseproduktion in Russland
Hochlands Werk in Prochorowka. / Pressefoto

Welche wirtschaftlichen oder politischen Schwierigkeiten bestehen für Hochland auf dem russischen Markt?

Keine, die spezifisch für Hochland wären. Trotz aller Sanktionen und Gegensanktionen spüren wir die Unterstützung staatlicher Stellen bei der Umsetzung von Investitionen und fühlen uns als ausländischer Investor willkommen. Natürlich ist der krisenbedingte Kaufkraftverlust ein Thema, das auch uns beschäftigt. Was gesetzliche Regelungen im Lebensmittelbereich angeht, würden wir uns mehr Stabilität und Kontinuität wünschen, da häufige Änderungen die Hersteller natürlich belasten.

Mit welchen Produkten ist Hochland auf dem russischen Markt vertreten?

Mit unseren sehr bekannten und beliebten Marken Hochland, Almette und Fetaxa sind wir Marktführer im Käsemarkt in Russland. Wir bieten ein umfangreiches Sortiment in den wichtigen Warengruppen Schmelzkäse, Frischkäse und Weißkäse, mit einer großen Vielfalt an Produkten und Geschmacksrichtungen.

Welche Produkte werden am meisten nachgefragt?

Unser Schmelzkäse-Sortiment ist traditionell sehr erfolgreich. Daneben entwickelt sich unser Frischkäse-Geschäft rasant.

Sind in der nächsten Zeit Produktinnovationen geplant?

Als Marktführer sehen wir es als unseren Auftrag, die Wünsche unserer Verbraucher zu beantworten und sie mit immer wieder neuen Produkten, Geschmacksrichtungen und Angebotsformen zu begeistern. Unter Innovation verstehen wir nicht nur völlig neue Produkte oder Produktkategorien, sondern auch die Weiterentwicklung unseres bestehenden Portfolios, zum Beispiel mit Ideen und Inspirationen für eine neue, moderne Verwendung. Dafür bieten wir immer wieder kreative Rezeptideen und arbeiten mit jungen kreativen Köchen zusammen, die die Verbraucher inspirieren.

Sie sind Marktführer in Russland. Was genau unterscheidet Ihre Produkte von denen anderer Hersteller in Russland?

Hochland bietet mit seinen Produkten eine konstante Top-Qualität und außerdem eine große Vielfalt, sowohl, was die Geschmacksrichtungen als auch die Verwendungsanlässe angeht. Unser Frischkäse zum Beispiel eignet sich speziell auch zum Kochen und Backen, auch Fetaxa ist nicht nur als Salatkäse beliebt, sondern lässt sich vielfältig in der Küche verwenden.

Ostexperte.de berichtete, dass es in Russland aufgrund des Lebensmittelembargos Schwierigkeiten im Milchsektor gibt. Gibt es in Russland Probleme bei der Zulieferung von Rohstoffen – etwa von Milch? 

In Russland gibt es ein strukturelles Milchdefizit, das seit langem besteht und das auch nicht so schnell behoben werden kann. Bei der Schmelzkäse-Produktion bekommen wir keine Milch angeliefert, sondern Käse, Butter und Magermilchpulver. Daher sind wir flexibel. Es gab schon kurze Perioden, wo Rohwaren knapp waren, aber es kam noch nie vor, dass wir „out of stock“ waren.

Wie wirbt Hochland für seine Produkte in Russland?

Wir nutzen die gesamte Bandbreite modernen Marketings, von den klassischen Werkzeugen wie TV- und Printwerbung bis hin zu Internet und Social Media. Besonders wichtig ist auch die Aktivierung dort, wo der Verbraucher die Produkte findet, also in den Märkten, z. B. mit Verkostungen und Gewinnspielen.

Hochland in Raos im Moskauer Gebiet
Die Hochland-Produktion in Raos im Moskauer Gebiet. / Pressefoto

Hochland ist auf verschiedenen Märkten Europas und in Russland aktiv. Geschmäcker sind bekanntlich verschieden. Was genau unterscheidet russische von deutschen Kunden? Wie kann das Kaufverhalten russischer Kunden beschrieben werden?

Käse ist in Russland kein Grundnahrungsmittel. Die „Käse-Kultur“ ist nicht so stark verbreitet wie beispielsweise in Deutschland. In den letzten zehn Jahren sind neue Käsesorten hinzugekommen, wie Maasdamer und Emmentaler, Der Weichkäsemarkt ist aber im Vergleich zu Deutschland und Frankreich noch sehr klein. Das liegt einerseits, wie gesagt, an der Käsekultur, andererseits auch an der Kaufkraft: In Zeiten einer Wirtschaftskrise werden russische Verbraucher kein großes Problem haben, auf Käse zu verzichten.

Natürlich gibt es auch unterschiedliche Verzehrgewohnheiten und Traditionen bezüglich der Geschmacksrichtungen. Almette mit Gewürzgurken oder Schmelzkäse-Ecken mit Pilzen z. B.  haben wir in Deutschland nicht im Programm.

In Deutschland geht der Trend zu gesunden Produkten. Zeichnet sich in Russland ein Trend zur Nachfrage gesünderer Lebensmittel ab?

Ja, wenn auch vielleicht (noch) nicht so stark wie in anderen Ländern, z. B. Deutschland. Laut einer globalen Nielsen-Studie achten weltweit 70% der Konsumenten darauf, was sie essen, weil sie auf ihre Gesundheit achten. In Russland sind es laut Nielsen 67% (Nielsen, 2016). Ca. 70% der Konsumenten (global und in Russland) sagen auch, sie seien bereit, für Produkte ohne „unerwünschte“ Zutaten mehr zu zahlen. Das bestätigen uns auch eigene Verbraucher-Befragungen: Gesunde Ernährung ist ein Thema, das unterschiedliche Konsumentengruppen als relevant einstufen, unabhängig z. B. vom Alter und anderen Kriterien.

Titelbild
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