Alexander von Humboldt in Kasachstan. Die große Forschungsreise durch Zentralasien.
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Alexander von Humboldt in Kasachstan: Die große Forschungsreise durch Zentralasien

Mit dem Titel „Die Reise von Alexander von Humboldt nach Kasachstan“ widmete sich die vierte Ausgabe der Veranstaltungsreihe „Unter dem Shanyrak“ in der Botschaft der Republik Kasachstan in Berlin einem der bemerkenswertesten Kapitel der deutsch-kasachisch-russischen Wissenschaftsgeschichte. Im Mittelpunkt: der Universalgelehrte Alexander von Humboldt in Kasachstan, dessen Expedition von 1829 nicht nur geographisches Neuland erschloss, sondern ein bis heute relevantes wissenschaftliches Denken prägte.

Eine Expedition von weltgeschichtlicher Bedeutung

Die Reise, die Alexander von Humboldt in Kasachstan und Russland unternahm, führte ihn mit Pferd und Kutsche auf einer über 19.000 Kilometer langen Strecke durch Sibirien bis an die Grenze Chinas – begleitet von einer kleinen wissenschaftlichen Delegation und mit logistischer Unterstützung durch die russische Armee.

Der Einladung zur Expedition ging eine praktische Fragestellung voraus: Der russische Finanzminister Graf Cancrin bat um Humboldts Expertise im Zusammenhang mit der Einführung einer Platinwährung – ein wirtschaftlich motiviertes Anliegen, das sich schnell zu einem wissenschaftlich-historischen Großprojekt entwickelte. Dass Humboldt überhaupt Zugang zu dieser Mission erhielt, hatte auch mit der damaligen Nähe zwischen Preußen und Russland zu tun: Zar Nikolaus I. war mit der preußischen Prinzessin Charlotte verheiratet. So wurden ihm Gebiete anvertraut, die anderen westlichen Forschern verschlossen geblieben wären.

„Sibirien beginnt in der Hasenheide“

Die Route der Expedition führte Humboldt und sein Team über Königsberg, St. Petersburg, Moskau, den Ural und das Altai-Gebirge bis nach Baty an der chinesischen Grenze. Unterwegs untersuchte er geologische Formationen, beobachtete Klimaphänomene und analysierte Boden- und Pflanzenstrukturen. Besonders im Ural war er auf der Suche nach Diamanten – mit Erfolg: In der Goldmine Krestowosdwischenskoje wurde auf seine Initiative hin erstmals ein Diamant außerhalb der Tropen gefunden.

Doch nicht alles entsprach seinen Erwartungen. Über die Vegetation äußerte sich Humboldt enttäuscht – „Sibirien beginnt in der Hasenheide“, schrieb er, in Anspielung auf den Berliner Park mit spärlicher Flora. Dennoch war die Reise für ihn der Beginn einer dritten Lebensphase, in der sich seine wissenschaftlichen Ansätze weiterentwickelten und vertieften.

Visualisierung der Reiseroute Alexanders von Humboldt nach Kasachstan und Zentralasien durch Christian Grosse
Visualisierung der Reiseroute Alexander von Humboldts durch den Autor Christian Grosse

Vordenker ökologischer Zusammenhänge

Humboldt war nicht nur Beobachter – er war ein Denker in Bewegung. In seinen Schriften betont er immer wieder die Wechselwirkungen zwischen Klima, Vegetation, Topographie und menschlichem Handeln. Seine Erkenntnisse zur Luftverschmutzung durch Industrie, zur Austrocknung von Seen durch nicht nachhaltige Landwirtschaft und zur Abholzung der Wälder wirken wie Vorwegnahmen heutiger Klimadebatten.

Er verstand das Klima als ein Netzwerk von Einflüssen, als dynamisches System. Die von ihm angestoßenen meteorologischen Messstationen in Russland gelten als Grundstein der modernen Klimatologie. Seine Fähigkeit, naturwissenschaftliche Erkenntnisse mit sozialem und politischem Bewusstsein zu verknüpfen, macht ihn zu einem der ersten Ökologen im modernen Sinn. Die Reise von Alexander von Humboldt in Kasachstan war ein Meilenstein dieser Entwicklung.

Begegnung mit Kasachstan: Respekt, Distanz, Beobachtung

Ein zentrales Element seiner Reise war die Begegnung mit der kasachischen Steppe und ihren Menschen. Zwar konnte Humboldt nur die Grenzregionen Kasachstans bereisen, doch seine Beobachtungen waren präzise und respektvoll. In der Nähe von Orenburg traf das Forschungsteam auf den kasachischen Khan der Bökey-Horde. Beeindruckt war man von der Reitkunst der Nomaden – weniger von ihrer Musik, die als monoton empfunden wurde. Humboldt erkannte die ethnographische Bedeutung der Region und wies auf das zahlenmäßige Übergewicht der kasachischen Nomaden gegenüber der bäuerlichen Bevölkerung Sibiriens hin – eine Beobachtung, die er mit Blick auf die politische Ökonomie Russlands hervorhob.

Die Berliner Staatsbibliothek verdankt dieser Reise zahlreiche Manuskripte, die Humboldt in Sprachen wie Persisch, Armenisch oder Georgisch sammelte. Auch dies zeugt von seinem umfassenden kulturwissenschaftlichen Interesse während seiner Zeit in Kasachstan.

Alles ist Wechselwirkung – auch heute

Die Veranstaltung „Unter dem Shanyrak“ wurde zu einem Forum, das nicht nur Historie beleuchtet, sondern auch Verbindungen in die Gegenwart zieht. So warf Prof. Dr. Ottmar Ette, renommierter Humboldt-Forscher, einen weiten Blick auf dessen Vermächtnis. Humboldt, so Ette, dachte global, bevor es Globalisierung gab. Er vernetzte Disziplinen, Kontinente und Weltanschauungen. Bewegung – geistig wie physisch – war für ihn Voraussetzung von Erkenntnis.

Die russisch-kasachische Expedition von 1829 sei, so Ette, eine Art „Schlussstein“ in Humboldts Weltverständnis gewesen – die letzte große Reise, bevor sich sein Denken in einem universellen Naturbild, dem „Kosmos“, verdichtete. Damit wurde Alexander von Humboldt in Kasachstan zu einer Schlüsselfigur der globalen Wissenschaftsentwicklung.

Botschafter Kasachstan, Ordensverleihung, Alexander von Humboldt in Kasachstan

Foto oben: S.E. Nurlan Onzhanov, Botschafter der Republik Kasachstan und Prof. Dr. Russwurm

Wissenschaft als Brücke – damals wie heute

Der Nachmittag in der Botschaft der Republik Kasachstan war mehr als ein Festakt. Er war ein Appell an die Kraft der Wissenschaft, Grenzen zu überwinden. Humboldt reiste in einer Zeit, in der Forscher zugleich Diplomaten und Vermittler zwischen Welten waren. Dass Kasachstan heute gezielt an dieses Erbe anknüpft, zeigt sich nicht nur in der Planung gemeinsamer Jubiläumsveranstaltungen 2029, sondern auch in der aktiven Förderung des wissenschaftlichen Austauschs mit Deutschland.

Nicht zuletzt unterstreicht die Verleihung des Ordens „Dostyk“ an Prof. Dr. Russwurm, früherer Siemens-Vorstand und Präsident des BDI, die strategische Bedeutung, die Kasachstan der deutsch-kasachischen Partnerschaft beimisst – insbesondere im Bereich Rohstoffe und nachhaltiger Entwicklung.


Über den Autor:

Dipl. Chem. Christian Grosse ist Gründer und President der Organisation Open International Dialogue, einer internationale Plattform zur Förderung des direkten Dialogs zwischen den Disziplinen Politik, Wirtschaft, Kunst, Kultur, Sport, Bildung, Wissenschaft und Zivilgesellschaft. Ebenso ist er Landesvorsitzender des Bundesverbandes Liberaler Mittelstand Berlin e.V...


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