Alexander Rahr: „Die Welt steht vor einer neuen Konfrontation“

Alexander Rahr: „Die Welt steht vor einer neuen Konfrontation“

Alexander Rahr ist ein deutscher Osteuropa-Historiker, Unternehmensberater, Politologe und Publizist, der bei deutsch- und russischsprachigen Medien als renommierter Experte für geostrategische Fragen gilt. Im Ostexperte.de-Interview spricht er über Putins Pläne für die neue Amtszeit und die schwierigen Beziehungen zwischen Russland und dem Westen. 


Herr Rahr, was erwarten Sie von Putins vierter Amtszeit?

Es wird eine schwierige Amtszeit für Putin. Die geopolitischen Umstände haben sich verschlechtert. Russland strebt nicht mehr eine Modernisierungspartnerschaft mit dem Westen an, was eigentlich noch in den Nullerjahren als Ziel deklariert wurde. Russland muss sich auf eigene Kräfte sowie eine Zusammenarbeit mit asiatischen Ländern konzentrieren. Vor allem aber muss Russland die Inlandsproduktion ankurbeln. Man hat gesehen, dass Sanktionen, die vom Westen gegen Russland erlassen werden, der Wirtschaft viel Schaden anrichten können.

Wie steht es um die Beziehungen zum Westen?

Eine gemeinsame Sicherheitsarchitektur zwischen dem Westen und Russland liegt in weiter Ferne. Manche Experten sprechen sogar von einer Vorkriegszeit. Diesen Begriff möchte ich eigentlich nicht verwenden, weil er militaristisch klingt. Doch er gibt die aktuelle Atmosphäre durchaus wieder. Präsident Wladimir Putin bereitet seine Bevölkerung darauf vor, dass er eine andere Politik durchführen wird. Das Verhältnis zum westlichen Ausland wird schwieriger.

Was meinen Sie mit Vorkriegszeit?

Wir befinden uns mit einem Bein im Denkmuster des Kalten Krieges. Es wird wieder aufgerüstet. Eine unglaubliche Propagandamaschinerie wurde in Gang gesetzt. Wir reden über Informationskriege und darüber, dass Sanktionen als Waffe genutzt werden. Was noch fehlt, ist die militärische Auseinandersetzung. Aber ich glaube nicht, dass es diese geben kann. Sie ist unmöglich zwischen Atommächten. Wir sind knapp davor, jegliches Vertrauen zwischen dem Westen und dem Osten zu verlieren. Es stimmt nicht, dass Russland auf der Welt ohne Verbündete dasteht. Russland hat Partner in Asien. Was wir nicht sehen – es kann durchaus zu Blockbildungen kommen. Hier zu einem transatlantischen, dort zu einem eurasischen Block.

Welche Rolle spielen die USA dabei?

Die Welt steht vor einer neuen Konfrontation. Wir wollen das nicht sehen, weil wir im Westen davon überzeugt sind, dass wir nach dem Fall der Berliner Mauer eine glückliche und demokratische Welt geschaffen haben, die wir schützen und verteidigen werden. Für den Kreml ist das aber eine Pax Americana, die Russland ausgrenzt und sogar gegen Russland agiert.

Wie wichtig die Wirtschaft für Russland?

Die russische Regierung weiß, dass das Land nur eine Rolle auf der Weltbühne spielen wird, wenn es unter die zehn stärksten Wirtschaftsmächte der Welt kommt. Um in der obersten Liga mitzuspielen, müssen riesige Anstrengungen erfolgen. Ich denke aber, dass Putin dieses Ziel anpeilt und eine Mannschaft formiert, um einen entscheidenden Sprung zu schaffen. Aber die russische Bevölkerung muss dafür mitgenommen werden. Ohne sie wird es nicht funktionieren.

Wie bewerten Sie die Rolle von Bundeskanzlerin Angela Merkel?

Angela Merkel versucht, Deutschland in eine Position als Vermittler zu manövrieren. Das wollen die Deutschen, das wollen die deutschen Eliten. Aber das Problem ist, dass Deutschland diese Position womöglich schon verloren hat. Ich komme gerade aus Russland und muss sagen, dass man die Deutschen dort fast abgeschrieben hat. Es ist der Eindruck entstanden, dass Berlin keine selbstständige Handlungen auf der Weltbühne unternehmen kann, ohne sie vorher mit Washington abzusprechen. Wenn es Präsident Donald Trump gelingt, den Iran-Deal zu begraben, dann ist das ein Armutszeugnis für eine gemeinsame Friedenspolitik. In dieses schwierigen Zeiten muss sich Deutschland darauf konzentrieren,  erneut Vertrauen aufzubauen.

Vielen Dank für das interessante Interview, Herr Rahr.

Dieses Gespräch führte Ostexperte.de-Autor Alexander Sorkin.